Bericht aus dem Trainingslager Winter 2024
Trainingsziele und -Ablauf
Mit Stolz haben wir beobachten können, dass die Würfe aller Sportler deutlich besser geworden sind. Das Training in einer gut ausgestatteten Halle hat uns erlaubt, wieder mit Methoden zu arbeiten, die unsere Sportler in der Vergangenheit zu Erfolgen geführt haben. Till und ich sind uns einig, dass wir das Werfen auf der Matte nun wieder in unser alltägliches Training einfließen lassen und so auch die Sportler profitieren können, die nicht im Trainingslager waren.
Am Montag (05. Februar 2024) haben wir vormittags und nachmittags trainiert, Dienstag waren wir erst in Oranienburg ca. 10km wandern und dann im Schwimmbad, Mittwoch war wieder zweimal Training. Den Donnerstag eröffneten wir mit Fußballspielen und im Anschluss einem Musikworkshop, bei dem wir ein Ringerlied „Ringen fetzt, weil…“ erarbeitet haben. Am Donnerstagnachmittag waren wir Bouldern (Klettern). Am letzten Tag, dem Freitag, haben wir wieder zwei Traingseinheiten gehabt.
Altersmischung
Die große Altersmischung mit einer deutlichen Mehrheit im Jugendbereich hatte Vor- und Nachteile. Die Kinder haben mit Sicherheit am meisten davon profitiert. Der Jugenbereich teilt sich in zwei Gruppen: die ungefähr 13-Jährigen, die v. a. auch einige Anfänger umfassen, und unsere aten Hasen. Methodisch konnten unsere ältesten Jugendlichen am wenigsten profitieren. Allerdings werden sie in der nächsten Woche vor ihrem Turnier in Greiz mit den Männern in der Stahlheimer Straße trainieren.
In der Betreuung waren die Kinder am besten umsorgt. Es blieb zwar nicht alles konfliktfrei, aber das gehört zur Entwicklung dazu. Im jüngeren Jugendbereich hingegen sind einige Konflikte eskaliert. Das hat sicher auch mit dem Alter zu tun, in dem emotionales und rationales Handeln sich in schneller Folge abwechseln. Die Jugend konnte Privilegien wahrnehmen, die hoffentlich deutlich machen, dass wir sie wertschätzen und ihnen vertrauen.
Neues Trainerteam
Till und ich haben gut zusammengearbeitet. Wir ergänzen uns methodisch und diskutieren Vor- und Nachteile. Till bringt vor allem auch die Erfahrung eines in der Trainingsgruppe hochgewachsenen Sportlers mit ein. Er genießt den Respekt aller Altersgruppen. Zwar ist er volljährig, erarbeitet sich allerdings noch die nötigen „Scheine“, um wirklich eigenständig Verantwortung zu übernehmen.
Wir danken allen Familienmitgliedern und Trainern, die uns unterstützt haben. Es wäre ohne die Unterstützung von Ina Rappsilber, Heiko Berndt, Stephanie Thieme, Stephanie Frank, Xin Xin, Nadine Senst, Arthur Hein, Adina Rossade (und bestimmt habe ich Helfende vergessen) nicht möglich gewesen, das Trainingslager so durchzuführen. Besonderer Dank gebührt Oliver Lüdtke, der uns trotz größerer Probleme auf Arbeit, kranken Kindern und anderen Herausforderungen kontinuierlich und ausdauernd unterstützt.
Unterkunft und Verpflegung
Die Unterbringung im Schulgebäude ist akzeptabel. Natürlich ist es abenteuerlich und frei von Komfort oder Privatsphäre. Hier überwiegt ganz klar der Nutzen und Kostenvorteil. Das Vertrauen der Schulleitung des grünen Campus Malchow ist ein unschätzbarer Vorteil.
Beim Essen waren wir fast konsequent vegetarisch. Wenn wir auswärts gegessen haben, hat niemand die Kinder davon abgehalten, totes Tier zu bestellen. Wir haben uns auch gern auf die Gespräche und die Kritik der Kinder eingelassen und ihnen erklärt, weshalb wir uns diese Regel aufgebürdet haben. Kurz: Vegetarische Ernährung ist ein interkultureller Minimalkonsens. Die meisten Menschen essen im ungesunden Maß zu viel Fleisch und: Fleisch ist kein nachhaltiges Nahrungsmittel. Das Thema Tierwohl haben wir nicht angeschnitten. Uns ist wichtig, noch einmal deutlich zu machen, dass wir Menschen, die Fleisch essen, nicht diskriminieren (ich esse selbst gern mal totes Tier [lebende Tiere habe ich noch nie gegessen]), sondern hier ein Thema, dass die Kinder in Zukunft betreffen wird aufmachen und konsequenter sind, als es im Familien- oder Schulalltag oft der Fall ist.
Aktivitäten und Ausflüge
Die Ausflüge trugen im Trainingsrythmus zu einer Entlastungsphase bei, ohne ganz auf das Training oder das Entwickeln anderer Kompetenzen zu verzichten. Die Wanderung brachte einige Kinder und Jugendliche an eine persönliche Grenze, was man deutlich am Nörgeln und Jammern erkennen konnte. Allerdings war das eine sehr geringe sportliche Belastung. Der Spaß im Schwimmbad spielte darüber hinweg, dass sich alle zwei Stunden lang ausgiebig bewegt haben – aber vor allem haben wir viel gespielt und Späße miteinander gemacht.
Der Musikworkshop war ein Testlauf. Wir haben selbst ein Ringerlied erarbeitet und mal schauen, ob wir das Ergebnis noch zu Gesicht bekommen. Die Gruppe musste ein gemeinsames Produkt erarbeiten und jeder spielte dabei eine kleinere oder größere Rolle. Für Till und mich waren das auch wichtige Erfahrungen, weil wir als Musiker zwar schon sehr lange harmonieren, aber hier pädagogisch ein neues Feld betreten. Vielleicht wird das Teil unserer Stützpunktkultur.
Dass die Kinder Freude hatten und wir eine gesunde Balance fanden, merkt man daran, dass die Zeit wie im Flug verflog und einige Kinder im Nachhinein feststellten, wie schnell eineinhalb Stunden vorüber waren.
Krankheiten
Neben den winterlich üblichen Erkältungen hatten wir in der Gruppe mindestens drei Fälle von Margen-Darm-Infekt mit Bauchschmerzen und Erbrechen. So ein Wintertrainingslager in Berlin zu der Jahreszeit scheint hier ein besonderes Krankheitsrisiko zu sein: Von 21 Sportlern am ersten Tag, waren beim letzten Training noch zwölf anwesend. Wir überlegen also, ob der Besuch in einem Schwimmbad eine gute Idee ist. Vielleicht hat noch jemand einen Vorschlag, welche sportliche, aber weniger riskante Aktivität (kein Trampolinspringen) als Ausgleich zum Mattentraining angebracht ist. Vielleicht Squash oder Badminton spielen?
Ökologie
Bei uns hat Mülltrennung so gut wie gar nicht funktioniert. Hier haben wir Verbesserungspotenzial. Die Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und die Tatsache, dass wir in Berlin geblieben sind, ist aber definitiv ein ökologischer Pluspunkt. Auch der Verzicht auf das Kaufen von Fleischprodukten weist in eine nachhaltige Zukunft.
Beteiligung der Kinder und Jugendlichen
Unsere ältere Jugend hat kurzfristige „Aufsichten“ übernehmen können oder zuverlässig beim Einkaufen und Kochen geholfen. Wir hatten zwar einen „Dienstplan“ aufgestellt, der wurde aber nie umgesetzt. An dessen Stelle ist das System getreten, dass es Nachtisch (Eis) nur für Helfer gegeben hat. Ganz besonders haben sich Alex und Mitja hervorgetan, die kontinuierlich und mit Freude beim Aufräumen und Vorbereiten geholfen haben. Bei den beiden hatte ich den Eindruck, dass sie auch ohne Belohnung mitgeholfen hätten.
Gewalt
Die zunehmende Verrohung und niedrigere Hemmschwelle in unserer Gesellschaft kommt auch bei uns an. Wir haben zunehmend Probleme mit ausufernder verbaler Gewalt (Beleidigungen, Beschimpfungen, permanente Sticheleien), aber zum ersten Mal in diesem Ausmaß auch mit körperlicher Gewalt. Dabei mussten wir konsequent das Training oder auch andere Aktivitäten für Sportler beenden, die eine Schwelle der Aggression überschritten haben, bei der die Durchführung unseres Trainingslagers erheblich gestört wurde.
Wir möchten hier deutlich sagen, dass dabei Konzepte wie Schuld, Unschuld oder gar Ehre keine Rolle spielen. In der pädagogischen Arbeit mit Heranwachsenden geht es immer um die konkreten Handlungen, die oft eine Vorgeschichte haben, die sich unseren Erkenntnissen und Beobachtungen entzieht. Hier als Richter oder Polizei zu agieren, ist nicht unsere Aufgabe.
Alle Konflikte werden immer(!) gewaltfrei ausgetragen und wir Trainer stehen immer denen zur Seite, die sich bedroht fühlen. Leider ist es normal, dass Jugendliche in der Pubertät oft kein Verständnis und Gefühl für eine Risikobewertung haben, sich überschätzen und glauben, die Konflikte nun allein und zur Not mit den Fäusten austragen zu müssen. Das ist und bleibt aber falsch. Wer nicht mehr weiterkommt, holt sich die Hilfe der Trainer. Das ist der einzige Weg.
Mit der Reife kommt in späterem Alter auch die nötige Selbstbeherrschung. Allerdings stellen wir fest, dass nicht alle Erwachsenen unsere moralische Grundhaltung teilen. In den Elternhäusern der verschiedenen Kulturen ist es durchaus legitim, sich mit Gewalt zur Wehr zu setzen oder gar mit körperlicher Gewalt auf verbale Gewalt zu reagieren.
Diese Zeilen stehen hier so ausführlich, um unsere Haltung für alle am TSP Beteiligten deutlich zu machen, und an denen werden wir uns messen lassen müssen.
So lange, wie das Faustrecht in unserer Gesellschaft (im direkten Umfeld auf der Straße, aber auch in der nationalen und internationalen Politik) wieder Einzug hält, werden wir auch im Sportbereich nicht an diesen Themen vorbeikommen. Wir sind hier ein Spiegel der menschlichen (Un-)Kultur. Es fehlt in Deutschland eine laute Stimme gegen Gewalt und für ein friedliches Miteinander.
Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Das Trainingslager ist auf vielen Ebenen ein Erfolg. Jede hier aufgeführte (Selbst-) Kritik ist ein Ansatzpunkt, unsere Arbeit weiter zu verbessern. Auch die kritischen Situationen sind für uns als Pädagogen und Trainer nur ein Wegpunkt bei der Entwicklung der Sportler. Wir sind als Gemeinschaft sehr lustig, vergnügt, meistens wertschätzend und sehr verspielt. Unser Tagesablauf war geprägt von viel Lachen, Späßen und kuscheligen Kabbelein. Ich habe den Eindruck, dass wir den unterschiedlichen Charakteren gerecht werden und niemand auf der Strecke bleibt. Auch bei den Sportlern, die bittere Konsequenzen für ihr Fehlverhalten tragen mussten, ist die Tür permanent geöffnet und die Hand ausgestreckt.
Sportlich haben vor allem die Kinder und jüngeren Jugendlichen eine sehr positive Entwicklung gezeigt. Die Würfe sehen nun aus wie Würfe, eine Angriffsvorbereitung ist angelegt und Variationen, und der Wurf aus verschiedenen Fassarten wurde eingeführt. Das gilt es zu üben und zu vertiefen.
Das Vorhaben, auch mehr zu turnen und zu springen, haben wir aufgegeben – uns fehlte schlicht die Zeit. Möglicherweise sollten wir den ersten Ausflugtag nach nur einem Tag Trainings streichen und stattdessen eine weitere Trainingseinheit einführen. Wandern kann man vom GCM auch gut zu den Karower Teichen.
Einzig für die ältere Jugend bin ich skeptisch, ob sie sportliche Fortschritte erzielt haben. Diese Frage besprechen wir und werden eine Lösung finden. Vielleicht wird das kommende Ostertraining ausdrücklich auf die Bedürfnisse der fortgeschrittenen Jugend ausgerichtet?